Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband Die Linke.SDS begnügt sich nicht damit, kleine Brötchen zu backen. Was für ihn zählt, ist das große Ganze. »Make Capitalism History« – zu deutsch soviel wie »Befördere den Kapitalismus in den Mülleimer der Geschichte« – so lautet der Titel des von ihm auf die Beine gestellten Studentenkongresses, der von Freitag bis Sonntag an der Freien Universität Berlin stattfindet. Dabei wird nicht nur beim Motto geklotzt. Im Rahmen von über 60 Veranstaltungen – darunter Workshops, Seminare, Podiumsdiskussionen und Kulturbeiträge – sollen die verschiedenen Dimensionen der aktuellen Wirtschaftskrise untersucht und Auswege diskutiert werden. Erwartet werden bis zu 1000 Teilnehmer. Zu über 80 Referenten aus der außerparlamentarischen Bewegung, den Gewerkschaften, Parteien und dem Ausland zählen unter anderem Hans Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand, der Historiker Karl-Heinz Roth und der Soziologe Alex Demirovic.
»Make Capitalism History« wollen die Veranstalter vor allem als Aufruf zum Handeln verstanden wissen. Der Slogan war 2007 bei den G-8-Protesten im schottischen Edinburgh entstanden und hierzulande mit den erfolgreichen Blockaden in Heiligendamm bekannt geworden. »Er drückt aus, daß es nicht beim Diskutieren allein bleiben darf. Denn wir können unsere Alternativen nur aus den Kämpfen gegen das Bestehende entwickeln«, heißt es im Programmheft zum Kongreß. Dieser solle Möglichkeiten aufzeigen, »wie du mit uns gemeinsam im Hier und Jetzt aktiv werden kannst«. Und das nicht nur in der grauen Theorie: Zum »Warm-Up« steigt am Freitag ein Aktionstraining zivilen Ungehorsams, bei dem Methoden der gewaltfreien Aktion bei Neonazi- und Castorblockaden, Genfeldbefreiungen, Go-Ins und Sit-Ins eingeübt werden können.
Die Tagung ist in vier große Themenfelder unterteilt, einen Kapitalismus-, einen Bildungs-, Kultur- und Marx-Block. Beim Schwerpunkt Bildungspolitik wird insbesondere die Frage nach den Folgen des Machtwechsels im Bund im Fokus stehen. »Wir müssen uns darauf einstellen, daß mit einer Bundesregierung aus Union und FDP im Bildungsbereich weitere Kürzungen drohen. Zumindest rücken die dringend notwendigen Ausgabensteigerungen in weite Ferne«, warnte Jonas Rest vom SDS-Bundesvorstand am Mittwoch gegenüber junge Welt. Das mache es um so wichtiger, »jetzt Druck aufzubauen, denn dafür sind die Konservativen empfänglich«. SDS-Geschäftsführerin Friederike Benda sprach gestern gar von einem »Kongreß gegen Schwarz-Gelb«. Die Situation nach der Bundestagswahl erfordere Bündnisse aller Betroffenen, »Studierende und Beschäftigte müssen sich auf soziale Unruhen vorbereiten«, und weiter: »Wir brauchen eine rot-rot-grüne Opposition auf der Straße«.
Der SDS-Kongreß will dabei ausdrücklich an den bundesweiten Bildungsstreik im zurückliegenden Sommer anknüpfen, bei dem Hunderttausende Schüler und Studierende gegen die deutsche Bildungsmisere Krach schlugen. »Ein Erfolg bestand auch darin, daß die Bundesbildungsministerin danach immerhin Korrekturen am Bachelor in Aussicht gestellt hat«, meinte Rest. »An dieser Stelle müssen wir weitermachen. Wenn an den Hochschulen wieder Ruhe einkehrt, wird ganz bestimmt nichts besser werden, im Gegenteil.«
Anschauungshilfe soll am Wochenende auch der Blick über den deutschen Tellerrand liefern. Auf der Podiumsdiskussion mit dem Titel »Bildungsstreik international« werden am Samstag abend Vertreter von Bewegungen aus Italien, Griechenland, Frankreich und Venezuela von ihren Erfahrungen berichten. In Italien und Griechenland war es Studierenden sogar über mehrere Semester hinweg gelungen, die Universitäten lahmzulegen.