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15. Juni 2009 Pressemeldungen, Kongress, Interview

"Kein reiner Studentenkongress"

Ihr wollt vor allem Studierende, Schülerinnen und Schüler, die jetzt beim Bildungsstreik protestieren, zum  Make Capitalism History-Kongress einladen. Warum sollten sie dort hinkommen?

Zum einen um zu diskutieren, wie es nach dem Bildungsstreik weitergehen kann. Die Bundesregierung pumpt Milliarden in Banken und schreibt gleichzeitig die Schuldenbremse in der Verfassung fest. Das kann nur funktionieren wenn in anderen Bereichen drastisch gekürzt wird  – auch bei den Universitäten und Schulen. Nach den Wahlen wird es massive gesellschaftliche Auseinandersetzungen geben, wer für die Krise zahlen wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Mit dem Make Capitalism History-Kongress wollen wir einen Raum schaffen, nicht nur Ursachen und Folgen der Krise zu analysieren, sondern uns auch über Strategien für die außerparlamentarische Bewegung zu verständigen.

Von einigen Ausnahmen mal abgesehen ist von außerparlamentarischen Protesten in Deutschland bislang allerdings wenig zu merken gewesen.

Das ist in der Tat eine paradoxe Situation. Anders als früher sind heute alle betroffen von der Krise - auch Ingenieure in Metallbetrieben, die bislang glaubten, Krisen finden nur in Asien statt. Dennoch passiert fast nichts. Bei dem Kongress wird es gerade auch darum gehen zu fragen, wo das Problem liegt, und natürlich, wie wir das verändern können.

Was könnten da denn Ansätze sein, um in die Offensive zu kommen?

Wir wollen zum Beispiel diskutieren wie ziviler Ungehorsam Protestbewegungen bereichern kann und internationale Erfahrungen berücksichtigen. Es wird ein Podium zu „Bildungsstreik international“ mit Rednerinnen und Rednern von den Bewegungen aus Italien, Griechenland, Frankreich und Venezuela geben.  In Italien und Griechenland ist es Studierenden gelungen mehrere Semester lang, die Universitäten lahm zu legen – und in breitere gesellschaftliche Gruppen auszugreifen. Dadurch hatten sie Erfolg. Das Ganze soll deshalb auch kein reiner Studentenkongress werden.

Fallen dann nicht die Auseinandersetzungen an den Universitäten hinten runter?

Im Gegenteil: Die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen hat gezeigt, wie wichtig und wirksam die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und breiten Teilen der Bevölkerung war. Wenn wir Studis wirkliche Veränderungen in unserem Bildungssystem erreichen wollen, müssen wir raus aus dem Elfenbeinturm Hochschule. Auf dem Make Capitalism History-Kongress wollen wir deshalb  gemeinsam mit Aktiven aus den Gewerkschaften, der globalisierungskritischen Bewegung und den Krisenprotesten weitere Aktionen diskutieren und  organisieren. Das Besondere an diesem Kongress wird also gerade diese Mischung sein!

 

Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus ist die inhaltliche Klammer des Kongresses.  Wurde das Thema inzwischen nicht schon zu Genüge beleuchtet?

Auf keinen Fall. Es gibt doch eine sehr große Unklarheit darüber, wie tief die Krise wirklich ist. Auf dem Kongress werden wir etwa US-Ökonom Robert Brenner haben, der die These vertritt, dass die tiefsten Krise des Kapitalismus seit 1929 Ausdruck eines langen Abschwungs seit den 70er Jahren ist und daher anhalten wird.  Brenner war einer der Wenigen, der die Krise vorhergesagt hat. Ursachen und Dauer der Krise zu klären ist für die Linke essentiell.  Zwar ist inzwischen unumstritten, dass der Neoliberalismus gescheitert ist. Aber die Frage ist doch, was setzt die Linke insgesamt als Alternative entgegen?  Daher wollen wir dieses Thema ins Zentrum des Kongresses stellen.

Welche Alternativen habt ihr denn da vor Augen?  Könnte ein „Green New Deal“ wie ihn Teile von Attac oder auch die Grünen diskutieren da ein Ausweg sein?

Ich befürchte, dass ein „Green New Deal“ zu kurz greifen wird, weil er in den Gesetzen des Wettbewerbs und des Marktes verhaftet bleibt. Wenn die Konkurrenz um Profite im Zentrum steht, werden Mensch und Natur als „Kostenfaktoren“ darunter leiden. Der Kongress-Titel „Make Capitalism History“ verrät ja schon, dass der Kapitalismus für uns nicht das Ende der Geschichte sein kann. Deshalb wollen wir auch grundsätzliche Alternativen diskutieren wie Demokratie von unten durch Rätedemokratie oder eine demokratische Planung der Wirtschaft. Das heißt auch die Eigentums- und Enteignungsfrage zu stellen. Warum Demokratie unbedingt an den Betriebstoren aufhören soll, ist mir ein Rätsel und wird - trotz Wirtschaftskrise - gegenwärtig kaum thematisiert. Auf dem Kongress soll es ganz konkret darum gehen, wie eine wirklich demokratische Gesellschaft organisiert sein könnte – und am letzten Tag dann eben darum, wie wir dahin gelangen können.

Im Internet-Trailer für den Kongress heißt es, die beste Antwort auf die Krise sei aktiv zu werden und sich zu organisieren. Ist der Kongress nicht vor allem eine massive PR-Aktion für den Studierendenverband Die Linke.SDS, der den Kongress ausrichtet?

Organisation ist für uns kein Selbstzweck. In Protesten wie dem Bildungsstreik werden Zehn- wenn nicht Hunderttausende aktiv, beteiligen sich an Demonstrationen und organisieren Aktionen.  Die Frage ist doch, was passiert, wenn die Bildungsstreik-Aktionswoche vorbei ist.  Proteste wie der Bildungsstreik werden seit einem Jahr vorbereitet. Als Die Linke.SDS möchten wir mithelfen, den organisatorischen Kern zu verstärken, der solche Proteste auf die Beine stellt. Wenn die Linke erfolgreich sein will, müssen wir die Frage von Organisation in Bewegungen offen diskutieren. Gerade in Zeiten von Bachelor und Master, in denen Studierende unter enormen Zeitdruck stehen, ist doch die Frage wichtig, wie es möglichst vielen ermöglicht werden kann, politisch mitzuwirken. Nur wenn es uns gelingt, linke Organisierung zu stärken, werden wir die Kräfteverhältnisse grundsätzlich verschieben können und genug Druck entfalten, um tatsächliche Veränderungen durchzusetzen.  Ich hoffe, dass es uns mit dem Kongress gelingt, dazu einen Beitrag zu leisten.